Exklusiv: Das Familiy Office des Lidl-Gründers Dieter Schwarz geht gegen den Berliner Startup-Fonds und Fintech-Investor Rheingau Founders vor. Der Konflikt dreht sich um offene Rechnungen. Weitere Geldgeber erwägen eine Klage.
Goldenes Konfetti regnete auf den Berliner Hinterhof, etwa 50 Leute feierten unten ihr Sommerfest: Zwei Gruppen ließen sich an diesem lauen Abend vor zwei Jahren dennoch klar voneinander unterscheiden: die etwas Jüngeren, in T-Shirt oder offenem Hemd – und die Älteren in Anzug. Es gab Craft Beer, Wein und einen Fotoautomaten. Auftritt Philipp Hartmann: „Wir haben dieses Jahr das Motto ‚Olds meet new‘, wir wollen von den alten Hasen was lernen, aber wir Jungen können den Alten natürlich auch Einiges zeigen“, sagte der Gründer von Rheingau Founders in die Kamera. Schöner konnte die Startup-Idylle kaum sein.
Seit dem Aufstieg der Berliner Digitalszene haben sich unzählige Fonds, Beratungen und Innovationslabore als Brückenbauer zwischen den Unternehmern des deutschen Mittelstandes und den jungen wilden Startups positioniert. Darunter auch Philipp Hartmann und seine Mitstreiter, die 2011 die Unternehmensschmiede Rheingau Founders gründeten. Dort investierten Familiy Offices von wohlhabenden Unternehmern ihr Geld, darunter einige prominente Namen wie der Wagniskapitalgeber Born2Grow, den der Lidl-Gründer Dieter Schwarz finanziert, oder der Unternehmer Cornelius Boersch und die Mende-Familie aus Karlsruhe.
Heute – zwei Jahre nach der Sommerparty – ist klar: Einige der gebauten Brücken sind eingerissen. Mehrere prominente Geldgeber aus der alten Welt sind enttäuscht, darunter auch Born2Grow. Anwälte korrespondieren. „Die Frustgrenze ist erreicht“, sagt einer der Geldgeber, der nicht genannt werden will. Was ist passiert?
Die Gründer wollten an den Millionenerfolg anknüpfen
Bereits 2014 machten sich die drei Rheingau Founders Philipp Hartmann, Tobias Johann und Kai Hansen einen Namen in der deutschen Startup-Szene. Kurz nach der Gründung investierten sie in den Essenlieferdienst Lieferando, der später für 100 Millionen Euro an Takeaway.com verkauft wurde. Das niederländische Unternehmen ging 2016 an die Börse und ist mittlerweile mehrere Milliarden wert. Die Rheingau Founders wurden über Nacht zu Millionären. „Wenn man mal am eigenen Leib mitbekommen hat, wie es ist, am Ende des Monats kein Geld aus dem Automaten zu bekommen, weiß man es umso mehr zu schätzen, wenn man nicht auf den Preis des Weins achten muss“, sagte Philipp Hartmann 2017 in einem Interview mit dem Männermagazin GQ.
Hartmann und seine Kompagnons wollten an ihren Millionenerfolg anknüpfen und weitere Digitalchampions hochziehen. Sie gründeten einen Fonds mit circa 20 Millionen Euro. Als einer der ersten Geldgeber stieg auch Born2Grow ein. Nach dem Lieferando-Exit hätten die Rheingau Founders „einen gewissen Glanz bekommen. Es wurde gesagt: Die können das ja“, erzählt Günter Steffen, Gründer und CEO von Born2Grow. Er investierte mehrere Millionen. Die Erfahrungen aus dem Aufbau des Lieferdienst-Startups sollte Rheingau helfen neue Jungfirmen aufzubauen.
Zu den gestarteten Firmen gehören zum Beispiel Humanoo, eine Plattform für Betriebssport, oder Patronus, eine Cybersecurity-Firma. Auch in der Fintech-Branche mischte Rheingau mit. Es baute Simplesurance mit auf. Das Berliner Versicherungsstartup hat mittlerweile knapp 60 Millionen Dollar von Wagniskapitalgebern erhalten, die Allianz und der japanische E-Commerce-Konzern Rakuten sind beteiligt. Auch beim Vertragsmanager Volders und dem Gutscheinstartup Optiopay ist Rheingau Founders investiert.
Ein Klärungsversuch scheiterte
Vor etwa einem Jahr jedoch kam es dann zum Streit zwischen den „Rheingau-Jungs“ und einigen ihrer Geldgeber. Der Company Builder hatte seinen Investoren Kosten für die Startup-Beteiligungen in Rechnung gestellt, etwa für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Ungewöhnlich war, dass der Fonds Ausgaben auch rückwirkend einforderte – teilweise für einen Zeitraum von fünf Jahren. Born2Grow sollte beispielsweise eine Viertelmillion Euro an Gebühren zahlen. Einige Investoren, mit denen Capital und Finance Forward gesprochen hat, weigerten sich ebenfalls zu zahlen. Die Begründung: Die plötzlich anfallenden Forderungen seien zu hoch und teilweise bereits verjährt. In der Regel verjähren Forderungen nach drei Jahren.
Günter Steffen von Born2Grow ging einen Schritt weiter. Nach einem Klärungsversuch zog er wegen der offenen Forderungen vor das Berliner Landgericht. Im Sommer 2019 einigten sich die Parteien vor einem Urteilsspruch außergerichtlich.
Die Rheingau-Founders-Partner Philipp Hartmann und Tobias Johann nennen das Verhalten von Born2Grow „erschreckend unprofessionell“. Die Kosten seien in den Verträgen festgeschrieben worden. Ein Großteil der Clubmitglieder habe gezahlt, teilen sie mit.
Zwischen Geldgebern und dem Startup-Fonds gibt es allerdings noch weitere Konfliktpunkte: Mehrere Rheingau-Investoren beklagen, sie seien über die Geschäftsentwicklung ihrer Startup-Beteiligungen unzureichend informiert worden. Ein Investor habe sogar Ärger mit dem Finanzamt bekommen, weil Unterlagen fehlten. Rheingau Founders bestreitet das, der Fonds habe alle Berichtspflichten stets „vollumfänglich eingehalten“.
Der Wagniskapitalgeber Born2Grow hat mittlerweile genug. Die Chefs verhandeln gerade darüber, alle Rheingau-Beteiligungen zu verkaufen – um endlich Schluss zu machen. „Wir haben einfach keine Lust mehr, der Lästigkeitswert ist einfach zu hoch“, sagt Steffen. Parallel erwägen die Geldgeber weitere Klagen.
Von der Bilanz wenig begeistert
Die verärgerten Investoren sind auch über die Bilanz des Company Builders wenig begeistert, mit einem großen Return rechnen sie nicht mehr. Als Clubmitglieder sind sie allerdings nicht an allen Startups beteiligt. Tobias Johann von Rheingau Founders teilt mit, er sei mit der „Gesamtentwicklung des Portfolios“ sehr zufrieden. Das Fintech Simplesurance gehört zu den Hoffnungsträgern des Investors.
Zurzeit fokussiere sich die Unternehmensschmiede auf Proptech-Investments, 20 Millionen Euro würden dafür zur Verfügung stehen, schreibt das Unternehmen. Ein geplanter 50-Millionen-Fonds von Rheingau Founders kam nicht zustande. Aber die vier Partner seien „aktiver denn je“ – nur die Öffentlichkeitsarbeit hätten sie eingestellt, da sie die „notwendige Zeit lieber ins Kerngeschäft“ stecken wollten.